Im Kaisertal wurden von der Forstbehörde der BH Kufstein Wildschäden beanstandet. Daraufhin sollte der durchschnittliche Abgang der letzten fünf Jahre (lt. Behörde 27 Stück) um 20 bis 30 Prozent erhöht werden. Bezirksjägermeister Michael Lamprecht setzt sich zur Wehr.

„Die Verbissschäden sind bei weitem nicht so schlimm, wie es der Förster behauptet“, argumentiert Lamprecht nach einer Begehung im Kaisertal. Zusätzlich beauftragte der Pächter des Kaisertales den Wildökologen und Forstsachverständigen Dipl.-Ing. Dr. Stefan Fellinger, um den Sachverhalt zu beurteilen. Dieser stellte Schäden an der Waldverjüngung fest, die im Laufe der letzten Jahrzehnte entstanden ist: „Man hat den Gämsen ihren Winterlebensraum in der Fels-, Alm- und Latschenregion durch den intensiven Tourismus genommen. Um zu überleben, sind die Gämsen in den Wald ausgewichen. Der Wald ist aber nicht darauf eingestellt, und so entstehen dann auf Dauer untragbare Schäden“, so Fellinger über die Ursache. Dem entgegnet der Förster der Stadtwerke Kufstein, Markus Oberbichler:  „Unserer Ansicht nach ist der Tourismus im Kaisertal derzeit gut/sehr gut kanalisiert, alleine aufgrund des zum Teil sehr extremen Geländes ist ein Verlassen der vorhandenen Wege und Wandersteige nur äußerst selten zu beobachten.“

„Man kann so nicht agieren“
Das Problem habe sich lt. Lamprecht weiter etwas verschärft, weil auch forstliche Maßnahmen, wie Nutzungen bis zur Felsregion mit anschließender Aufforstung in den geschlossenen Wald geschlagen wurden.  „Man kann in so einem sensiblen Gebiet forstwirtschaftlich nicht so agieren. Im Kaisertal zählt nur mehr die Wirtschaftlichkeit, es geht um Gewinnoptimierung“, ärgert sich Lamprecht. Aufgrund der intensiven forstlichen Maßnahmen und des damit verbundenen fehlenden Altholzschirmes seien wesentlich mehr Jungpflanzen vertrocknet, als von der Gams gefressen wurden. „Der Aussage von Hr. Lamprecht, dass nur die Wirtschaftlichkeit zähle muss entgegnet werden, dass alleine in den fünf Jahren seit der Übernahme der Waldbewirtschaftung durch die Stadtwerke über € 250.000,- für Waldpflege aufgewendet wurde“, erklärt Oberbichler.  Betriebsziel der Forstverwaltung sei ein stabiler, möglichst naturnaher Mischwald, der den mannigfaltigen Aufgaben des Waldes im Kaisertal gerecht werde, und nicht die Gewinnmaximierung durch Holzverkäufe.

Maßnahmen genehmigt
„Die forstlichen Maßnahmen wurden allesamt behördlich genehmigt bzw. vorgeschrieben. Die getätigten waldbaulichen Maßnahmen wurden von externen Forstexperten als `vorbildliche Nutzungen` angesehen und bewertet. Die Nutzungen wurden so ausgeführt, dass eine Naturverjüngung bei einem angepassten Wildstand möglich ist“, erklärt Oberbichler. 

Erhöhter Abgang
Der durchschnittliche Abgang sollte lt. Lamprecht von 27 Stück um 20 bis 30 Prozent auf 32 bis 35 Stück erhöht werden. Zu viel für Lamprecht: „Wir wollen nicht, dass es wie so oft heißt: die Jäger schießen alles. In vielen Fällen verlangt der Forst höhere Abschüsse.“ In einer Stellungnahme an die Bezirkshauptmannschaft empfahl der Bezirksjägermeister den Abschuss von 25 Stk. Gämsen, dieser Empfehlung kam man auch nach. „Es ist ein Kompromiss“, erklärt Lamprecht.

Ruhezonen gefordert
„Gefahr in Verzug“ sieht die Jägerschaft aufgrund fehlender Rückzugsgebiete. „Die natürliche Überwinterungsstrategie des Gamswildes ist, dass es sich in klimatisch begünstigte Gebiete zurückzieht und sich dort kaum bewegt, den Kreislauf reduziert, Energie spart und so mittels der Körperreserven den Winter überdauert. Wird es aufgescheucht, verbraucht das Wild fast zehnmal so viel Energie. Die Reserven werden dann schnell aufgebraucht, es wird geschwächt, von Parasiten befallen und wenn es nicht in ruhige Gebiete ausweichen kann, verenden“, so Lamprecht. Mit einer überdachten, gemeinsam mit Naturschutz, Tourismus und Jägern entwickelten Festlegung von Rückzugsgebieten für das Wild sei ein gedeihliches Miteinander von Wintersportlern und Gämsen möglich. „Umfangreiche Ruhezonen im Kaisertal wurden bereits in den 80er Jahren geschaffen, so besteht eine knapp 220 ha große Naturwaldzelle im Bereich Bärental/Hoher Winkel. Des Weiteren wird auf einer Fläche von knapp 600 ha (im Bereich zwischen Dickichtkapelle und Straßwalchgraben) keine Holzernte betrieben“, so Oberbichler.
Die Schaffung von weiteren Ruhezonen sei nach Hörung der Interessen aller Beteiligten nicht ausgeschlossen und wurde im Jahr 2016 bereits angedacht, die Gespräche seien jedoch ergebnislos verlaufen. Auch die rechtliche Umsetzung etwaiger weiterer Ruhezonen sei lt. Oberbichler derzeit äußerst fraglich.


Bezirksjägermeister Michael Lamprecht