Jahrelang sollen mindestens drei Mitarbeiterinnen des Altenwohnheimes Zell/Kufstein die Arbeitszeitaufzeichnungen gefälscht bzw. die eigene Dienstzeit verkürzt haben. Nach ersten Erhebungen waren damit auch pflegerische Mängel verbunden.

„Für unsere pflegebedürftigen Heimbewohner bieten wir ein neues Zuhause, in dem ihnen mit Hochachtung und Respekt gegenübergetreten wird.“ Diesen Leitspruch der Kufsteiner Altenwohnheime nahmen mindestens drei Mitarbeiterinnen einer Abteilung im Altenwohnheim Zell wohl nicht sehr  ernst: Jahrelang sollen die Beschuldigten offenbar lange Zeit vor Dienstschluss nach Hause gegangen sein, eine Kollegin habe dann zum offiziellen Dienstschluss gesammelt ausgestempelt. Um dies zu ermöglichen, wurden ersten Erhebungen zufolge Heimbewohner teilweise schon am Nachmittag mit Grießbrei abgefüttert und ins Bett gebracht, um sich eine weitere Versorgung der Senioren zu ersparen. „Das ist definitiv ausgesagt“, bestätigt Bgm. Martin Krumschnabel.

Mitarbeiterinnen fristlos entlassen
In einer Sondersitzung des Kufsteiner Stadtrates vergangenen Montag, 14. Februar, wurde beschlossen, drei Mitarbeiterinnen sofort zu entlassen. Eine Sachverhaltsdarstellung wurde an die Pflegeaufsicht Tirol sowie an die Staatsanwaltschaft Innsbruck weitergeleitet. Den Missstand aufgedeckt hat eine Mitarbeiterin, die der Abteilung frisch zugeteilt wurde. Innerhalb von zwei Wochen bemerkte sie Unstimmigkeiten und leitete diese unverzüglich der Pflegedienstleitung weiter.

Betrug mindestens seit fünf Jahren
Lt. Bgm. Martin Krumschnabel bestreiten die (vorerst) drei Hauptverdächtigen einen Pflegemissstand, jedoch nicht die Fälschung der Arbeitszeitaufzeichnungen. Die drei Mitarbeiterinnen, zwei davon in einer führenden Position des Stockwerkes, gaben zu, dass die Arbeitsverkürzungen mehrfach passiert seien, „aber nicht so oft, wie andere behaupten - und auch nur in letzter Zeit.“ Dazu wurden bereits weitere zehn Mitarbeiter fünf Stunden einvernommen. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Station sagte u. a. aus, dass ihm bereits im Jahr 2017 angetragen wurde, früher auszustempeln. Insgesamt arbeiten in diesem Stockwerk 18 Personen im Pflegebereich sowie drei Reinigungskräfte.
„Ich bin davon überzeugt, dass es sehr viele Leute gibt, die geschwiegen haben. Weil sie sich schwer tun, Kollegen anzuschwärzen. Das sonst niemand etwas mitbekommen hat, halte ich für unmöglich. Dies ist immer eine Frage der Zivilcourage“, erklärte Krumschnabel. Wie dies zu qualifizieren sei, werde von anderer Stelle entschieden. Dass in anderen Abteilungen Ähnliches passiert (ist), glaubt Krumschnabel nicht. Dafür gebe es keinen Hinweis.
Um eine möglichst breite Sachverhaltsbasis aufzubereiten, wurden am Montag, 21. Februar, alle Angehörigen sowie am Dienstag, 22. Februar, alle Mitarbeiter des Hauses von Bgm. Martin Krumschnabel zu einem Gespräch eingeladen (jeweils nach Redaktionsschluss).

„Keiner wird geschützt“
Lt. Krumschnabel sind der Pflegedienstleiter Helmut Gwercher sowie der Heimleiter Werner Mair  in den bisherigen Anhörungen nicht belastet worden. „Aber es kann durchaus sein, dass sich von den Behörden etwas anderes herausstellt. Von mir wird keiner geschützt“, verspricht Krumschnabel volle Aufklärung.
Auch die Fachaufsicht habe bei standesgemäßen Prüfungen keine Mängel festgestellt. „Es scheint nicht so einfach zu sein, diese Missstände aufzudecken, wenn diese Leute ihr Geschäft gut verstehen. Wir müssen eine Institution einführen, die diese Dinge tagesaktuell prüft. Sonst kommt man nicht dahinter“, ergänzt der Stadtchef. Erschwerend kommt hinzu, dass es  keine Dienstaufsicht gegeben habe, da u. a. die Stationsleitung sowie die Stellvertretung selber in diese Machenschaften involviert waren.
Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Stadtpolitik schockiert
Schockiert zeigt sich GR Birgit Obermüller (Neos) und fordert Konsequenzen sowie eine lückenlose Aufklärung: „Wenn ein derartiger Betrug über Jahre hinweg möglich ist, müssen sofort personelle Konsequenzen in der Führungsebene gezogen werden.“
GR Richard Salzburger (Team Hannes Rauch - Kufsteiner Volkspartei) wünscht sich eine professionelle Personalführung in den verschiedenen Sparten der Stadtgemeinde Kufstein, die Kufsteiner Grünen ein anonymes Hinweisgebersystem sowie eine Ombudsstelle und sehen die Landesregierung am Zug: „Zu Recht machen sich viele Angehörige derzeit Sorgen. Es ist deshalb dringend notwendig, dass die Landesregierung mittels Bescheid hier einschreitet und sicherstellt, dass die Mängel behoben werden“, sagt Stefan Graf. Wie auch die Grünen fordert die Gemeinsame Kufsteiner Liste (GKL) eine lückenlose Aufklärung. Die SPÖ - Für Kufstein geht einen Schritt weiter und will einen sofortigen Untersuchungsausschuss. „Unerklärlich ist die Tatsache, dass die Führungsebene sowie die Stadtregierung diesen Betrug, welcher seit 2017 im Gange ist, nicht bemerkt hat bzw. entschieden dagegengewirkt hat“, so Alexander Gfäller-Einsank.
Der Staatsanwaltsprecher Hansjörg Mayr bestätigte gegenüber der APA, dass seitens der Staatsanwaltschaft offizielle Ermittlungen wegen Vernachlässigung und gewerbsmäßigen Betruges eingeleitet wurden.


Im Kufsteiner Altenwohnheim Zell wird wegen Vernachlässigung und gewerbsmäßigen Betruges ermittelt.