Für die Bürgerinitiative St. Gertraudi sind 120 Flüchtlinge bei 250 Einwohnern zu viel und fordert Solidarität von allen Gemeinden.

Im kleinen 250-Seelen-Dorf St. Gertraudi (Gemeinde Reith im Alpbachtal) brodelt die Volksseele. Eine eigens gegründete Bürgerinitiative geht  gegen die geplante Erweiterung des Flüchtlingsheims Landhaus mit einem Containerdorf für 49 weitere Asylwerber vor und will im schlimmsten Fall mit Sitz- und Hungerstreiks ein Zeichen setzen. „Es ist unsere humanitäre Pflicht, Flüchtlinge, die ihre Heimat und ihr Hab und Gut zurücklassen mussten, menschenwürdig aufzunehmen. Wir brauchen deshalb keinen Dialog über die Akzeptanz von Menschen in Not führen. Über die Akzeptanz der Einrichtungsgröße für 120 Flüchtlinge in einem Dorf wie St. Gertraudi mit 250 Einwohnern werden wir aber sehr wohl sprechen müssen,“ so Martin Reiter im Namen der Bürgerinitiative St. Gertraudi. Reiter und seine Mitstreiter sprechen aus Erfahrung, denn zu oft sei man vom Land in Sachen Flüchtlingsheim schon belogen worden. „Das Heim wird in maximal zehn Jahren abgewohnt sein und somit aufgelassen“, hieß es bei Errichtung. Das ist 14 Jahre her. Weiters wurde damals eine 24- Stunden-Rundumbetreuung vor Ort versprochen, tatsächlich ist die Betreuung auf acht Stunden pro Tag während der Werktage beschränkt. Auch die maximale Anzahl von Flüchtlingen sollte 50 Personen betragen, heute seien es durchschnittlich 60, zu Spitzenzeiten noch mehr. „Spricht man diese Tatsachen an, wird man als ausländerfeindlich abgestempelt. Dabei geht es hier weder um die Flüchtlinge selbst, noch um das bestehende Flüchtlingsheim, sondern ausschließlich um gebrochene Versprechen, fehlende Informationspolitik für die Bevölkerung und eine nicht funktionierende Integration durch zu hohe Personenzahlen an einzelnen Orten,“ so Ernst Wurm, der wie die Bevölkerung über die Medien von der Erweiterung in Form eines Containerdorfes für weitere 49 Flüchtlinge erfuhr.
Nicht umsonst löse die Unterbringung von Asylbewerbern in Massenquartieren in vielen Tiroler Gemeinden regelmäßig starke Konflikte aus. Die Bürgerinitiative St. Gertraudi fordert auch Solidarität von anderen Gemeinden ein. „Wir stehen zum jetzigen Flüchtlingsheim, lassen uns aber nicht das Florianiprinzip unterstellen, nur weil wir jetzt gegen eine Erweiterung sind,“ ergänzt Kurt Scheidnagl.

Massenunterbringung ist menschenunwürdig
Seitens der Bürgerinitiative sei man der Meinung, dass eine zwangsweise Unterbringung von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften weder zeitgemäß noch menschenwürdig ist. Die sogenannten Gemeinschaftsunterkünfte würden aufgrund ihrer sozialen Brisanz hinter dem Rücken der Bevölkerung verhandelt und die betroffenen Bürger schließlich vor vollendete Tatsachen gestellt. Reiter: „Diese Vorgehensweise ruft zwangsläufig vermeidbaren Ärger und nachvollziehbaren Widerstand hervor, denn durch die starke Konzentration von Flüchtlingen an einem Ort werden Einwohner und Sozialsysteme massiv überfordert.“ Außerdem entstehen, so Ernst Wurm, mit diesen ausgewiesenen Gemeinschaftsunterkünften künstliche Fremdkörper in gewachsenen Siedlungsstrukturen, die ein gemeinsames Miteinander zusätzlich erschweren. Anschließend stehen die Gemeinden, die betroffenen Bürger und die örtlichen Vereine dann vor der schwierigen Aufgabe, die Berührungsängste in der Bevölkerung abzubauen und die Asylsuchenden in die Gemeinschaft zu integrieren. Wurm: „Bei einer dezentralen Unterbringung von Asylbewerbern in Wohnungen ergeben sich auf natürlichem Weg zwischenmenschliche Kontakte und alltägliche Begegnungen, die ein gelingendes Miteinander erheblich erleichtern würden.“
Keine faire Verteilung trotz großer Ankündigungen
„Flüchtlinge werden fair verteilt“, lautete am 18. November 2014 die Pressemeldung zur Einigung der Landeshauptleute in Klagenfurt. Gemeint waren damit die Bundesländer. Diese „faire Verteilung“ müsse  lt. Bürgerinitiative aber auch auf den niedrigeren Ebenen, sprich Bezirke und Gemeinden, gelten. „Mit dem bestehenden Flüchtlingsheim könne man leben, eine Erweiterung wird aber strikt abgelehnt und man werde sich dagegen mit Händen und Füßen wehren,“ so Kurt Scheidnagl.

Bachmaier strebt Lösung mit Gemeinde an
Harald Bachmeier, der Anfang des Jahres als Geschäftsführer der Landesgesellschaft „Soziale Dienste GmbH“ die Neuordnung der Flüchtlingsbetreuung in Tirol startete, strebt eine gemeinsame Lösung mit der Gemeindeführung an: „Wir sind in Verhandlungen mit der Gemeinde und bemüht, mit dem Bürgermeister eine Lösung zu finden“, so Bachmaier.
Bgm. Johann Thaler war bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht erreichbar.